02.12.19 - 20 Fragen an Diana Gutjahr (35), Unternehmerin und Politikerin.
Am Montag, 2. Dezember 2019 begann die Wintersession der eidgenössischen Räte. Es war zugleich der Start in die 51. Legislatur. Die Metallbaubranche und somit AM Suisse wird unter anderen von Frau Nationalrätin Diana Gutjahr vertreten. 20 Fragen:
Welches war Ihr Traumberuf als kleines Mädchen?
Ich wollte Operationsschwester werden. Da ich aber kein Blut sehen kann, hat sich das ziemlich schnell erledigt …
Wenn Sie nochmals ganz von vorne anfangen könnten: Was würden Sie anders machen?
Rückblickend hätte ich eine technische Ausbildung machen sollen. Unser Bildungssystem ist so ausgelegt, dass man sich jederzeit betriebswirtschaftlich weiterbilden kann. Der entgegengesetzte Weg ist wesentlich schwieriger zu gehen.
Wie führen Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
Ich pflege einen kooperativen Führungsstil und versuche, unsere Mitarbeitenden zu motivieren, sodass sie lernen, mehr Verantwortung zu übernehmen. Es ist mir wichtig, Fehler offen anzusprechen und mit einer gegenseitigen konstruktiven Kritik das bestmögliche Resultat im Sinne der Unternehmensziele zu erreichen.
Und was sagen diese über Sie?
Dass ich eine direkte, fordernde, aber auch hilfsbereite Person bin. Und dass ich für jedes Anliegen ein offenes Ohr habe.
Waren Sie eine gute Schülerin?
Ich war immer sehr pflichtbewusst und musste stets viel Engagement und Einsatz leisten, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Ich gehörte also nicht zu denjenigen Schülern, die ohne Lernen gute Noten schrieben. Kurz: Ich war eine mittelmässige Schülerin.
Was geben Sie den Lernenden in Ihrem Betrieb mit auf den Weg?
Dass Sozialkompetenzen wie Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, Einsatz, Teamfähigkeit und Anstand im Leben hoch gewichtet werden und zum persönlichen Erfolg viel beitragen. Unbestritten entscheidende Komponenten für eine erfolgreiche Berufskarriere sind Fachkompetenzen und Wissen. Das kann man sich jedoch durch laufende, lebenslange Weiterbildung erarbeiten, was bei den Sozialkompetenzen schwieriger ist.
Wie beeinflusst die aktuelle Wirtschaftslage Ihr Unternehmen?
Wir sind von der Investitions- und Bautätigkeit von anderen Unternehmungen abhängig, aber auch von der politischen Entwicklung in Sachen Bauvorschriften. Geht die Wirtschaft zurück, sind nachgelagerte Branchen wie beispielsweise der Bau ziemlich schnell davon betroffen. Als Familienbetrieb sind wir sehr flexibel. Wir beobachten aufmerksam den Markt und reagieren frühzeitig auf die zu erwartenden Veränderungen.
Die Globalisierung: Fluch oder Segen?
Fluch und Segen zugleich. Durch die Globalisierung werden neue wirtschaftliche Märkte erschlossen, neue Dimensionen entstehen. Die verschiedenen Verflechtungen der Gesellschaft und deren unterschiedlichen Kulturen stellt die politischen als auch persönlichen Beziehungen immer wieder neu auf die Probe.
Könnten Sie ohne Handy oder Tablet leben?
Leider nicht, obwohl ich nach den eidgenössischen Wahlen ein bewusstes «digital detox» einlegen wollte. Es ist einfach (fast) nicht möglich, sich von dem «Ding» zu trennen. Jegliche Kontakte und Dokumente – sozusagen das ganze Wissen – befinden sich auf diesen Geräten. Ich frage mich manchmal, ob wir heute ohne diese Geräte noch leben könnten. Es ist unglaublich, wie die Elektronik unser Leben mitbestimmt.
Lesen Sie Bücher, und falls ja: Was lesen Sie gerade?
Als Kind war ich eine Leseratte. Heute beschränkt sich mein Lesen auf Zeitungsberichte, Dokumente und vor allem kiloweise politische Informationen aus Bern. Für «mehr» fehlt mir schlichtwegs die Zeit.
Wie können Sie so richtig abschalten?
Als Jugendliche habe ich Spitzensport betrieben. Beim Sport kann ich mich auspowern und meine Gedanken neu sortieren. Die körperliche Müdigkeit ist mir besonders wichtig, um wieder frische Energie zu tanken.
Was würden Sie auf eine einsame Insel mitnehmen?
Das Rückflugticket (lacht).
Sind Sie ein geduldiger Mensch?
Das ist sehr situativ. Bereits früh habe ich im Sport gelernt, dass Ungeduld und Hektik schlechte Wegbegleiter sind. Mit etwas mehr Geduld und Überlegtheit können viele Fehler und falsche Entscheidungen verhindert werden. Man spart damit Zeit, Ärger und Geld.
Was bringt Sie auf die Palme?
Wenn jemand Unwahrheiten verbreitet oder mich absichtlich zu täuschen versucht.
Und worüber können Sie herzhaft lachen?
Meist über völlig banale Dinge, sei es mit Freunden oder während der Arbeit. Ich lache viel und oft. Das gehört zu mir. Lachen löst bei mir Motivation und Energie aus. Es ist einfach ein tolles Gefühl.
Was bedeutet für Sie Glück?
Lebensfreude, familiärer Rückhalt und dass ich mein Leben so gestalten darf, wie ich mir das vorstelle.
Ist unser Leben vorbestimmt? Oder ist alles Zufall?
Ich glaube keines von beidem. Ich denke, dass eine grundsätzlich positive Einstellung zum Leben wichtig ist. Kalkulierbare Risiken sollte man nicht scheuen. Nur wer über den Hag steigt, erreicht neues Land.
Welche Themen muss die Schweizer Politik so rasch wie möglich anpacken?
Zuoberst auf der Prioritätenliste stehen die Alters- und Gesundheitsfrage. Wir können es uns nicht mehr leisten, noch länger keine griffigen Lösungen in diesen Fragen zu haben. Generell müssen wir über mehr Verzicht und mögliche Leistungsanpassungen diskutieren. Unser voll ausgebautes Sozialsystem ist in dieser Form kaum länger haltbar. Es liegt auf der Hand: Je länger wir elementare Entscheidungen hinausschieben, desto grössere Probleme fallen auf die zukünftigen Generationen zu. Das ist politisch wie wirtschaftlich nicht verantwortbar.
Wie wird es der Schweiz in 20 Jahren gehen?
Wenn wir nicht lernen, zu verzichten und uns auf das Wesentliche zu beschränken, haben wir bald einen nicht mehr finanzierbaren ausgebauten Sozialstaat und dadurch eine vorsätzliche Schwächung der Wirtschaft. Leider befürchte ich, dass der Zentralismus stärker wird und die direkte Demokratie weiter unter Druck kommt. Ich sehe mich in der Pflicht und in der Verantwortung, zum Wohl unserer Schweiz hier Gegensteuer zu geben.
Was ist Ihr Lebensmotto?
Ich habe zwei. Persönlich: Leben und leben lassen. Politisch: Ich politisiere gradlinig aus Überzeugung, ohne Seitenblick auf eine mögliche Wiederwahl.
Zur Person: Die 35-jährige Diana Gutjahr aus dem thurgauischen Amriswil führt zusammen mit ihrem Ehemann die Ernst Fischer AG in Romanshorn, ein Stahl- und Metallbaubetrieb mit nationaler und internationaler Ausrichtung. Das Familienunternehmen beschäftigt 80 Mitarbeitende sowie 15 Lernende und ist Mitglied des AM Suisse. Seit 2017 vertritt die Unternehmerin die SVP des Kantons Thurgau im Nationalrat. Am Montag, 2. Dezember 2019 startete sie mit dem Beginn der Wintersession in die neue Legislatur 2019-2023.