12.07.19 - Im Interview erläutert Dr. Anina Hille wie der Wissensaustausch zwischen den Generationen gefördert werden kann und was die grösste Herausforderung im Generationenmanagement ist.
In welchem Bereich sehen Sie die grösste Herausforderung im Generationenmanagement?
In der konkreten Umsetzung. Die überwiegende Mehrheit der Unternehmen erachtet Generationenmanagement als wichtig. Den Hauptnutzen von Generationenmanagement sehen sie darin, dem demografischen Wandel und Fachkräftemangel zu begegnen sowie im Vermeiden von Wissensverlust bei Ausscheiden älterer Mitarbeitenden. Aber in der Umsetzung hapert es noch. Beispielsweise ist nur die Hälfte der an der Umfrage teilnehmenden Grossunternehmen der Meinung, dass der Wissenstransfer zwischen den Generationen auch tatsächlich stattfindet – und wenn, dann eher von älteren zu jüngeren Mitarbeitenden als umgekehrt. Um dem Fachkräftemangel bestmöglich zu begegnen und die Arbeitsmarktfähigkeit älterer Personen zu fördern wäre aber ein Wissenstransfer in beide Richtungen wünschenswert – also auch vermehrt von jüngeren zu älteren Personen. Die Organisationen brauchen ein Instrumentarium um Generationenmanagement umzusetzen.
Konnten Sie einen spezifischen Handlungsbedarf ausmachen?
Ja, mehrere. Nebst dem oben genannten ist ein wichtiges Thema «Lebenslanges Lernen» und «Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit». Die Auswertungen zeigen, dass Arbeitnehmende wie auch Arbeitgeber die Chancen für ältere Personen auf dem Arbeitsmarkt signifikant schlechter einschätzen als für jüngere Personen. Auch bestätigt sich, dass viele Vorurteile zu Generationen vorhanden sind. Ein Beispiel ist, dass ältere Mitarbeitende mit hohen Kosten assoziiert werden. Zwar steigen die Sozialversicherungsbeiträge mit zunehmendem Alter, gleichzeitig suggerieren unsere Resultate aber, dass insbesondere die älteren Arbeitnehmenden offen dafür sind, dass der Lohn mit steigendem Alter und gleicher Qualifikation nicht steigen muss. Man sollte also solche Assoziationen differenziert betrachten und ich denke, es braucht diesbezüglich eine Sensibilisierung von Arbeitnehmenden wie auch Arbeitgebenden.
Wie kann aus Ihrer Sicht der Wissensaustausch zwischen den Generationen gefördert werden?
Da gibt es unterschiedliche Ansätze – man kann beispielsweise ganz im Kleinen beginnen, ohne dass die Massnahme teuer sein muss. Beispielsweise mittels einer «Lunch-Lottery», bei der ältere und jüngere Mitarbeitende zusammengebracht werden. Arbeitgeber können aber auch ganz bewusst Strukturen für die inter-generationelle Zusammenarbeit schaffen. Beispiele sind das Bilden von altersgemischten Teams oder Generationen Tandems, bei denen eine jüngere Person Mentor und eine ältere Person Mentee ist. Wichtig scheint mir, dass Arbeitgeber hierbei generationenverbindende Gemeinsamkeiten nutzen, um den konstruktiven Austausch zwischen den Generationen zu fördern. Weiter wichtig ist, dass das Thema im Top-Management verankert und von ihm getragen und kommuniziert wird – sonst läuft man Gefahr, dass Massnahmen zu einer Farce verkommen. Einen Katalog von konkreten Massnahmen und Handlungsempfehlungen publizieren wir diesen Herbst und werden auch eine Toolbox online stellen, mit der Organisationen auf ihre Situation zugeschnittene Handlungsempfehlungen erhalten.
Gab es bei den Studienresultaten etwas, das Sie überraschte?
Ja, verschiedenes. Die grosse Offenheit zur Wissensweitergabe und Wissensannahme von Arbeitnehmenden hat mich überrascht. Sie ist eine gute Voraussetzung für einen verbesserten Wissenstransfer zwischen den Generationen und stimmt optimistisch, dass dieser auch vermehrt gelingen wird. Überrascht haben mich auch zusätzliche Erkenntnisse der Studie, wie beispielsweise ein Resultat zum Thema Gesundheitsförderung: Generell sind die Arbeitnehmende sehr zufrieden damit und erachten es als nicht besonders wichtig – sprich, Arbeitgebern würde ich empfehlen hierzu nicht unbedingt viele weitere Mittel einzusetzen. Vielmehr könnten sie sich auf Themen konzentrieren, welche Arbeitnehmende wichtig finden, gleichzeitig damit aber unzufrieden sind. Beispiele hierzu sind «Work-Life-Balance» bei den Jüngeren und «Arbeitsplatzsicherheit» bei den Älteren. Für Arbeitgeber kann es eine Chance sein, altersspezifisch auf diese Aspekte einzugehen und damit die Diskrepanzen zu verkleinern.